Haushaltsrede 2022

(es gilt das gesprochene Wort)

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates und der Verwaltung,

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

 

„Das Leben ist wie Fahrrad fahren.

Um die Balance zu halten,

musst Du ständig in Bewegung bleiben.“

 

Das Zitat von Albert Einstein beschreibt treffend die Situation der Gemeinde Wenden. Wir haben zuletzt vieles in Bewegung gebracht. In der Haushaltsdebatte besteht die „Kunst“ nun darin, die richtige Balance zwischen zielgerichteten Investitionen und angemessenen Ausgaben zu finden. Aus diesem Grund haben wir bereits in der letzten Ratssitzung eine ausführliche Debatte über die Investitionsstrategie geführt. Zunächst war die Diskussion negativ belastet, da versucht wurde, den Schwimmbadneubau als alleinigen Preistreiber der Gemeinde darzustellen. Diesem Versuch haben wir uns erfolgreich widersetzt. Am Ende der Debatte haben wir in einigen Punkten sogar einen Kompromiss erzielt. Das halte ich auch bei Investitionen in Höhe von rund 75 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren für vernünftig. Der Handlungsdruck für Investitionen in die Infrastruktur ergibt sich anhand der Zahlen aus der Bevölkerungsstatistik. Von 2009 bis zum 30.06.2021 haben wir 224 Einwohner verloren. Dieser Trend setzt sich wohl fort. Besonders prekär ist der Rückgang in der Altersgruppe der 21- bis 45-Jährigen. In dieser Kohorte schrumpfte die Bevölkerung von 2012 bis 2020 um 568 Personen. Das heißt, wir verlieren unsere Zukunft an andere Städte und Kommunen. Diese Entwicklung müssen wir stoppen. Darum sind zielgerichtete Investitionen in Bau- und Gewerbegebiete, Kindergärten und Schulen geboten. Zum Thema Bauen möchten wir einen Vorschlag einbringen. In der Bürgerversammlung in Altenhof sind im Zusammenhang mit dem zu entwickelnden Baugebiet Doppelhäuser angesprochen worden. Wir schlagen vor, dass auch der Bau eines Mehrgenerationenhauses bei den Planungen berücksichtigt wird. Das ist kein Antrag, sondern lediglich eine Anregung.

 

In Sachen Gewerbe soll in der ersten Ratssitzung 2022 eine Entscheidung zu dem ehemaligen Balcke-Dürr Gelände getroffen werden. Gespannt wartet meine Fraktion darauf, wie die vier Bewerber in ihren Konzepten die Themen Kultur und Wohnen integriert haben. Wir werden den anstehenden Entscheidungsprozess konstruktiv begleiten. Unseren Vorschlag eine Kommunale Entwicklungsgesellschaft zu gründen, werden wir hierbei weiterhin berücksichtigen. Dies wird auch in vielen anderen Städten und Kommunen bereits praktiziert. Diese Gesellschaft kann auch bei der Entwicklung der 15ha Gewerbefläche gemäß dem Flächennutzungsplan tätig werden. Gerne würden wir ferner neue Betriebe in Wenden begrüßen. Nur ein zukunftsträchtiger Mix aus Industrie, Dienstleistung und Handwerk sorgt dafür, dass junge Menschen bei uns eine berufliche Perspektive haben. Wie wichtig eine florierende Wirtschaft ist, zeigen uns alljährlich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Sie ist und bleibt die größte Einnahmeposition. Die Prognosen für 2022 sind erfreulich. Auch das Ifo-Institut erwartet aktuell ein Wirtschaftswachstum von rund 3,7%.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

die Verkehrssituation in Gerlingen beschäftigt uns weiterhin. Neben dem eigentlichen Verkehr fahren nun zusätzlich einhundert Amazon-Vans täglich durch die Ortschaft. Das ist lediglich 25 % der geplanten Auslastung.  Aber das Werk wird nun sukzessive hochgefahren und am Ende fahren ca. vierhundert Vans am Tag durch Gerlingen.  Da die leidgeprüfte Gerlinger Bevölkerung noch rund acht Jahre auf die Ortsumgehung warten muss, wenn sie denn überhaupt genehmigt wird, ist es umso wichtiger, dass die kleineren Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang bitten wir den Bürgermeister uns mitzuteilen, ob es für den Standpunkt der Haltestelle am Netto-Markt einen Alternativvorschlag gibt. Wir hoffen, dass die Fehler in der Ampel-Einstellung mittlerweile korrigiert wurde.  Die Ortsumgehungsstraße muss umfassend und sorgfältig geplant werden, um eventuelle Unwägbarkeiten im Vorfeld zu erkennen und später zu vermeiden. Mit der Trassenführung beschäftigen wir uns später noch unter den Tagesordnungspunkt sechs. Die im Haushaltsentwurf genannte Summe in Höhe von 60.000 €, ist aus unserer Sicht für eine qualifizierte Planung nicht ausreichend. Daher stellen wir folgenden Antrag: 

 

Für die Konzepterstellung der Ortsumgehungsstraße in Gerlingen werden im Haushalt finanzielle Mittel in Höhe von 150.000€ eingestellt.

 

Dass es für das anvisierte interkommunale Gewerbegebiet Ruttenberg keinen direkten Anschluss an die A4 geben wird, ist eine unerfreuliche Nachricht für alle Verkehrsteilnehmer.  Ich erinnere Sie in dem Zusammenhang an die erstellte Verkehrsflussanalyse. Das Büro IVV Aachen/Berlin prognostiziert, dass nach der Herstellung einer Ortsumgehungsstraße täglich rund 11.500 Fahrzeuge diese Straße nutzen. Trotzdem werden durch Gerlingen täglich immer noch 14.000 Fahrzeuge fahren. Wenn man nun die Nutzer des geplanten Interkommunalen Gewerbegebiets mit einer Fläche von rd. 70 ha hinzuaddiert, droht in Gerlingen ein Verkehrskollaps. Wer von uns möchte das den Gerlingern zumuten? Wir nicht! Daher setzen wir uns dafür ein, dass man die Planungen für das Interkommunale Gewerbegebiet ad acta legen sollte! Wir haben uns immer für einen lebenswerten Ausgleich zwischen Ökonomie und der Ökologie eingesetzt. Das ist in der zu erwartenden Situation in Gerlingen aber nicht gegeben!

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

wie wichtig unsere freiwillige Feuerwehr ist, haben wir zuletzt bei dem Brand einer Werkshalle in Gerlingen erlebt. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass der Brand nicht auf die angrenzende Tankstelle übergegangen ist. Der Brand hätte noch viel tragischer enden können. Unsere Kameradinnen und Kameraden der hiesigen Feuerwehr haben hervorragende Arbeit geleistet. Da sie bei ihren Einsätzen mitunter ihr Leben riskieren, haben wir ihnen gegenüber eine besondere Verpflichtung. Die Neubauten in Hünsborn und Hillmicke, sowie der Anbau in Gerlingen sind folglich alternativlos. Die neuen Feuerwehrgerätehäuser benötigen eine zeitgemäße Ausstattung mit Fahrzeugen und Technik, und die Feuerwehr selbst braucht Nachwuchs. Dem Brandschutzbedarfsplan ist zu entnehmen, dass die Jugendfeuerwehr „die wichtigste Nachwuchsquelle für die Einsatzabteilung bildet, insbesondere vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung.“ Die Jugendfeuerwehr bildet sich aus den Einheiten Gerlingen, Hillmicke, Hünsborn und Wenden. Eine Kinderfeuerwehr unterhält die Einheit in Hünsborn. Eine weitere entsteht gerade in Wenden.  Wir möchten, dass die Arbeit der Kinder- und Jugendfeuerwehr mehr Wertschätzung erfährt. Gerne würden wir sie daher jährlich mit 200 € fördern. Nach der Diskussion am Montag im Haupt- und Finanzausschuss, stellen wir zunächst einen Prüfauftrag, ob

 

Die Kinderfeuerwehren Hünsborn und Wenden, sowie die Jugendfeuerwehr mit in die Förder- und Zuwendungsrichtlinien aufgenommen werden können.

 

Den Schwerpunkt meiner Rede widme ich der Entwicklung unserer Gesamtschule. Die prognostizierte Investitionssumme bewegt sich in einem Rahmen von 32 bis 40 Millionen Euro.  Bei einem Projekt dieser Größenordnung ist ein zielgerichtetes Vorgehen zwingend geboten.  Bekanntermaßen ist die bauliche Struktur von früher geprägt, als am Schulzentrum noch die Haupt- und Realschule beheimatet war.  Seinerzeit wurde Frontal unterrichtet. Heute gilt ein anderer pädagogischer Ansatz.  Die Schülerinnen und Schüler sollen selbstentdeckend lernen. Das heißt, die Lehrer stehen nicht mehr erklärend an der Tafel, sondern sie sind viel mehr Lernberater, Erzieher und Vertrauensperson.  Sie ermuntern die Schülerinnen und Schüler, vieles selbst herauszufinden und fördern sie auf ihrem individuellen Lernweg. Der Wandel der Schule von der „belehrenden“ zur „lernenden“ Schule – vom „Lernen im Gleichschritt“ zu einem Unterricht, der jedem Einzelnen gerecht wird – von der Halbtagsschule zur Ganztagsschule – hat tiefgreifende Konsequenzen auch für ihre Gebäude. Über die konkreten Maßnahmen sind die beteiligten Akteure im Arbeitskreis Bildungslandschaft bereits im Dialog.  Die Schwierigkeit bei der baulichen Entwicklung der Gesamtschule wird insbesondere darin bestehen, dass wir mit viel Organisationsaufwand im Bestand umbauen müssen. Das wird für Unruhe sorgen, bei der Lehrerkollegium und Schülerinnen und Schüler gleichermaßen betroffen sind. Die SPD-Fraktion wird den Arbeitskreis Bildungslandschaft Wenden unter dem Vorsitz von Catrin Stockhecke-Meister positiv begleiten. Um alle wirklich gut informiert und „im Boot“ zu wissen, beantragen wir die Durchführung einer Fachtagung zum Thema:

 

Bauliche Gestaltung der Gesamtschule unter modernen pädagogischen Gesichtspunkten, situationsgerecht und wirtschaftlich darstellbar.

 

Zu dieser Fachtagung möchten wir Experten aus Pädagogik, Architektur und Planung einladen. Hinzu kommen die kommunalen Akteure wie die Schulleitung, das Lehrerkollegium, der Schulträger, Eltern und Schülervertreter sowie politische Vertreter.  Ziel der Fachtagung soll sein, einen qualifizierten Einblick in unterschiedliche Sichtweisen zur Gestaltung unserer Gesamtschule zu erhalten. Am Ende des Prozesses muss ein Projekt mit einer klaren Priorisierung inklusive einer konkreten zeitlichen Planung stehen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

die Bewältigung der Klimakrise wird uns weiterhin beschäftigen. In diesem Zusammenhang erinnere ich an das 100-Dächer-Programm. Das wurde zweimal erfolgreich aufgelegt. Da weitere Interessenten auf der Warteliste stehen, haben wir uns mit Bündnis´90/Die Grünen und der UWG über eine dritte Auflage des 100-Dächer Programms ausgetauscht. Mein Kollege Elmar Holterhof wird in seiner Rede näher darauf eingehen. Des Öfteren war im zurückliegenden Bundestagswahlkampf die Rede davon, dass ein Windrad frühestens sieben Jahre nach Beginn der Planungen Strom liefert. Das ist eine viel zu lange Zeitspanne, wenn der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 gelingen soll.  Daher sollten wir mit dem geplanten Windpark oberhalb von Hillmicke-Huppen endlich zu einer Entscheidung kommen.

 

Die Realisierung eines gemeindeeigenen Solarparks ist bekanntermaßen schwierig. Aus diesem Grund hat die Verwaltung Kontakt zur Autobahngesellschaft des Bundes aufgenommen, um eine Kooperation zu evaluieren. Liegen hierzu mittlerweile Ergebnisse vor? Wenn ja, bitten wir in der Niederschrift zur heutigen Sitzung um eine Information des Bürgermeisters.

 

Ich komme nun zu einem weiteren bekannten Thema. Es geht um die Überarbeitung der Förder- und Zuwendungsrichtlinien. Das ist im Rahmen der Kooperativen Planungsgruppe zum Sportstättenentwicklungsplan beschlossen worden. Wir haben bereits mehrfach daran erinnert. Eine Überarbeitung ist bisher nicht erfolgt. Daher regen wir noch einmal an, dass die Richtlinien im ersten Halbjahr 2022 überarbeitet werden. Hierzu sollte unter der Leitung des Sport- u. Kulturausschussvorsitzenden ein interfraktioneller Arbeitskreis gebildet werden. Hier besteht dann auch die Möglichkeit, sich mit unserem Prüfauftrag für die Kinder- und Jugendfeuerwehren auseinanderzusetzen.

 

 

Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie müssen Vereine weiterhin Veranstaltungen absagen. Das setzt ihnen in finanzieller Hinsicht immer noch zu. Uns ist es wichtig den Ehrenamtlichen in dieser schwierigen Zeit ein Signal zu geben, dass sie von der Politik nicht allein gelassen werden und dass deren Wertschätzung weiterhin hoch ist.  Daher stellen wir den Antrag:

 

Die Sport- und kulturtreibenden Vereine erhalten 2022 einmalig die doppelte Zuwendung, die ihnen gemäß der Förder- und Zuwendungsrichtlinien zustehen.

 

Wir befürworten, dass die Verwaltung inzwischen einen Digitalisierungsbeauftragten hat. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine dynamischere Verwaltung. Sie muss schnell reagieren und es ermöglichen, dass alle Anliegen möglichst online erledigt werden können. Aber auch im privaten Bereich ist das Internet von zentraler Bedeutung. In der Bürgerversammlung in Römershagen äußerten einige Bewohner ihren Unmut, dass sie bei dem Ausbau des Glasfasernetzes nicht berücksichtigt wurden. Zurecht wiesen sie daraufhin, dass die Verfügbarkeit des Internets ein Wirtschaftsgut ist, und das es gleichwertig mit der Strom- und Wasserversorgung ist. Wenn sich für Römershagen noch eine realistische Chance in Sachen Glasfaser ergibt, müssen wir hier im Rat alle „an einen Strang ziehen!“

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

wir setzen uns schon länger für mehr Mitwirkungsmöglichkeiten junger Menschen an politischen Entscheidungen ein. Folgerichtig stellten wir in der letzten Haushaltsdebatte den Antrag, eine Jugendbefragung durchzuführen. Dieser wurde auch mehrheitlich angenommen. Da die Corona-Pandemie 2021 keine reale Durchführung garantierte, ist sie nun für das kommende Jahr geplant. Meine Fraktion wird im kommenden Jahr weitere Anträge im Hinblick auf Beteiligung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen stellen. Diese sollen alle unterschiedlichen Ebenen – vom Kindergarten bis zu Schule – erreichen, sodass keine Bildungslücken entstehen.

 

Bevor ich zum Ende komme, möchte ich kurz an das heftige Unwetter im Juli dieses Jahres erinnern. Bei uns waren insbesondere die Ortschaften Wenden und Ottfingen betroffen. Fraktionsübergreifend haben wir für die Betroffenen einen Fonds aufgelegt. Viel schlimmer waren die Schäden in anderen Städten von Nordrhein-Westfalen und in Rheinlandpfalz. Auch diese Betroffenen wurden von den Wendschen nicht vergessen. In vielen Ortschaften sammelten Freiwillige Kleidung, Decken und Hygieneartikel ein. Diese Sachen haben sie anschließend in die betroffenen Gebiete transportiert, um die Not ein wenig zu lindern. Für dieses uneigennützige Engagement möchte ich allen Spendern und Einsatzkräften ein herzliches Dankeschön aussprechen.

 

Nun nenne ich noch einmal unsere vier Anträge:

 

  1. Prüfauftrag zur Aufnahme in die Förder- und Zuwendungsrichtlinien für die Jugendfeuerwehr und die Kinderfeuerwehren in Hünsborn und Wenden.
  2. Eine Fachtagung zum Thema: Bauliche Gestaltung der Gesamtschule unter modernen pädagogischen Gesichtspunkten, situationsgerecht und wirtschaftlich darstellbar. Dafür wird eine Summe in Höhe von 5.000€ in den Haushalt 2022 eingestellt.
  3. Für die Konzepterstellung der Ortsumgehungsstraße in Gerlingen werden im Haushalt 2022 finanzielle Mittel in Höhe von 150.000€ eingestellt.
  4. Die Sport- und kulturtreibenden Vereine erhalten 2022 einmalig die doppelte Zuwendung die ihnen gemäß der Förder- und Zuwendungsrichtlinien zustehen.

 

Bedanken möchten wir uns bei unserem Kämmerer Herrn Munschek für die Aufstellung des Haushalts. Er und seine Mitarbeiter haben uns den Haushalt im Rahmen einer Haushaltsklausur erläutert und offene Fragen wurden im Nachgang ausführlich beantwortet.

 

Zu Beginn meiner Rede habe ich von der notwendigen Bewegung gesprochen. Dennoch muss es auch Zeiten von Ruhe und Besinnung geben. Diese sollten auch für uns ab den 24.12.2021 beginnen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, ein frohes und gesegnetes Weihnachfest und ein erfolgreiches Jahr 2022.  

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

 

Wenden, 22.12.2021                            Ludger Reuber, SPD-Fraktionsvorsitzender

 

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